Skip to main content

#TakeHeartResidenz: Die vergessene Kerze

Unter dem Titel "Die vergessene Kerze – Ein verlorener Blick auf das (Bühnen-)Licht" haben wir uns im März und April der Frage angenommen, wie wir die Lichtquelle als das Wesentliche, das bei modernen Beleuchtungsapparaten oft hinter einer Vielzahl von Funktionen verschwindet, stärker in den Blick nehmen können. Frei nach dem Motto zerlegen, bearbeiten, umnutzen, kombinieren haben wir Material, mit dem wir als Lichtkünstler*innen und Lichtdesigner*innen teilweise seit Jahren arbeiten, noch einmal neu betrachtet, um Mittel und Wege zu erproben, moderne Beleuchtungswerkzeuge unkonventionell und jenseits der Modi zu nutzen, die Hersteller*innen dafür vorgesehen haben.
 
Ausgangspunkt für unsere Überlegungen im Rahmen einer #TakeHeartResidenz in Kooperation mit dem FFT Düsseldorf waren zunächst die ersten, einfachen Lichtquellen im Theaterkontext: Kerzen und Öllampen. Um sie herum wurden mit der Zeit ausgeklügelte Beleuchtungsapparate entwickelt, mit denen sich Licht zum Beispiel bündeln und ausrichten, streuen und reflektieren ließ. Mit der Zeit ersetzten andere Lichtquellen das Feuer, zunächst für längere Zeit unterschiedliche Glüh-, aber auch leuchtstoffbasierte Leuchtmittel, die seit einigen Jahren nun wiederum von LEDs abgelöst werden. Die Scheinwerfer und Effektgeräte, die um diese Lichtquellen über Jahrzehnte entstanden sind, bieten zusammen mit unterschiedlichen Varianten der Lichtsteuerung eine Bandbreite von Möglichkeiten: Von Helligkeit und Farbe über Abstrahlwinkel und Bewegung ist heute mehr auf Knopfdruck möglich, als in der Regel genutzt wird.
Und dennoch hat die Entwicklung der Bühnenbeleuchtung seit Kerze und Öllampe nicht nur zu einer Bereicherung der Möglichkeiten geführt. Standardisierte Verarbeitung, Steuerungen und Funktionen geben bei der Verwendung von Licht in szenischen Kontexten vieles vor und machen sie oft zu einer mehr technischen als künstlerischen Angelegenheit. Daher haben wir uns in unserem Recherchevorhaben gefragt, worauf wir stoßen, wenn wir den Apparat rund um die moderne Kerze Stück für Stück zurückbauen, unsere heutigen Lichtwerkzeuge dekonstruieren und sie jenseits standardisierter Optionen einsetzen.

    

In einer ersten Recherchephase haben wir uns mit der Entwicklung des Bühnenlichts in den vergangenen rund 100 Jahren befasst. Ganz herzlich danken wir Firma Gerriets, die uns einen Besuch in ihrem Scheinwerfermuseum ermöglicht hat, wo wir historische Theatertechnik jenseits von Büchern und Filmen entdecken konnten. Mit dem Wissen aus dieser Recherchephase haben wir uns unseren Licht-Funduns vorgenommen. Nach und nach haben wir Scheinwerfer, Lichteffektgeräte und andere Beleuchtungselemente, mit denen wir in den letzten Jahren immer wieder gearbeitet haben, daraufhin untersucht, welches Potenzial sie für szenische Anordnungen jenseits der ,vorgegebenen' Anwendung haben. Dazu haben wir eine Art vorher-nachher-Anordnung geschaffen und alle Geräte zunächst noch einmal so in Betrieb genommen, wie von den Herstellenden gedacht. Im Anschluss daran haben wir sie (natürlich unter Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen) Stück für Stück auseinandergebaut und in jedem Dekonstruktionsschritt ausprobiert, was nun mit dem Licht, das sie abgeben, möglich ist. Dabei haben sich erstaunliche Möglichkeiten gezeigt: Aus einem Gerät, das in der Regel kitschige farbige Spiegelkugeleffekte erzeugt, wurde eine tolle Lichtquelle für bewegtes Schattenspiel, LED-Panele verwandelten sich zunächst in operafolienartige Blur-Effekt-Flächen und dann in Lichtrahmen mit perfektem Abstrahlwinkel. Parallel zum Spiel mit neuen Möglichkeiten durch das mechanische Zerlegen haben wir ebenfalls die Art der Steuerung der Lichtquellen in den Blick genommen und damit experimentiert, sie anders anzusteuern als üblich.

         

In den beiden Recherchemonaten unserer #TakeHeartResidenz sind wir so über Lektüre, Museumskataloge und Auseinandersetzung mit dem Material auf viele Dinge gestoßen, die unseren Ideenfundus und das Vokabular, mit dem wir als Lichtdesigner*innen und Szenograf*innen arbeiten, langfristig bereichern werden.


 
Gefördert und unterstützt wurde das Residenzvorhaben vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR sowie dem FFT Düsseldorf, bei denen wir uns herzlich bedanken.